29. April 2024

Haushaltsstrom vom Privatbalkon

Martina Appel und Armin Hambrecht vom Klimaarbeitskreis Lauda-Königshofen. (Foto: Inge Braune)

Lohnt sich die Anschaffung eines Balkonkraftwerks? Darüber informierten auf Einladung des Klimastammtischs vor einem gut 70 Personen starken Publikum Armin Hambrecht und Martina Appel vom Klimaarbeitskreis Lauda-Königshofen im Sitzungssaal des Rathauses.

Aktuell, so Bürgermeister Nick Schuppert im Rahmen seiner kurzen Begrüßung, erarbeite die Stadt ein Solarkataster, das auch in der Altstadt mehr klimafreundliche Energieerzeugung auf Dachflächen und Balkonen ermöglichen soll. Er hoffe auf etwas Bewegung beim Denkmalamt. Seitens des Klimastammtischs begrüßte Thomas Rietschel die Gäste.

Schon seit den 2000er Jahren, so Martina Appel, habe es auch in Baden-Württemberg keine wirklich kalten Winter mehr gegeben. Aktuell deute alles darauf hin, dass das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, weit verfehlt werde. Selbst bei Einhaltung der aktuell debattierten Richtlinien sei bis zum Jahr 2100 eine Erwärmung von 2,7 bis 3,1 Grad wahrscheinlich. Mache man weiter wie bisher, liegen die Prognosen bei einer weltweiten Klimaaufheizung um 4,1 bis 4,8 Grad, die den Fortbestand der menschlichen Zivilisation massivst gefährden würden.

Dabei, so die beiden Referenten,  gebe es mit dem Einsatz von Photovoltaik und Windkraftanlagen wirkungsvolle Instrumente zur Emissionsreduzierung. PV- und Windkraftanlagen können Studien zufolge die weltweiten Emissionen am stärksten reduzieren, gefolgt von massiven Maßnahmen zur Renaturierung und Humusaufbau. Deutlich hinter dem drittwirksamsten Hebel, dem generellen Verzicht auf fossile Energieträger, folgt erst an vierter Stelle die Effizienzsteigerung von Mobilität und Gebäuden.

Würden die rund 41 Millionen Menschen in Deutschland, die über sonnige Balkone verfügen, in die Stromproduktion mit Balkonkraftwerken einsteigen, sei es ohne weiteres möglich, jährlich Strom im Wert von sieben Milliarden Euro zu produzieren. Erforderlich dafür wären Investitionen in einer Gesamtgröße von rund 24 Milliarden Euro, die sich bereits nach etwa dreieinhalb Jahren amortisieren dürften.

Armin Hambrecht erläuterte die aktuellen Gegebenheiten und die in nächster Zeit zu erwartenden Veränderungen: Zwar seien aktuell nur 600 Watt-Balkonsolaranlagen gestattet, doch diese Begrenzung dürfte in Kürze fallen, was dann auch den Anschluss von 800 Watt-Anlagen ermöglicht. Noch, so Hambrecht, bestehe eine Anzeigepflicht beim Netzbetreiber; doch keine Bange: ein formloses Schreiben reicht auch jetzt schon völlig aus – und schon bald dürfte sogar eine ganz einfache Digital-Eintragung bei der Bundesnetzagentur genügen.

Bereits jetzt seien updatefähige Wechselrichter erhältlich; und eine Art TÜV-Siegel werde in Kürze auch bei höherem Ertrag bis 800 KWH die Einspeisung über einen Schukostecker ins Hausnetz problemlos ermöglichen.

Den aktuellen Bestand von Balkonsolaranlagen schätzt Hambrecht auf rund 230.000 Anlagen. Bis Ende 2022 waren bereits 190.000 Anlagen offiziell angemeldet – bei einer mutmaßlich nennenswerten Dunkelziffer.

Angesichts des steigenden Interesses sei mit Mini-PV-Anlagen auf Balkonen, an Hauswänden und in Gärten schon in den nächsten Jahren eine dezentrale Stromproduktion von „locker ein bis zwei Gigawatt“ jährlich möglich. Als Zielmarke nannte der Referent 1,3 Millionen dieser Kleinstkraftwerke. Schließlich könne bei Investitionskosten von rund 500 Euro eigentlich jede und jeder, der Zugriff auf einen Balkon, Garten oder eine Süd-Hauswand hat, mitmachen. Nach vier bis acht Jahren habe man das wieder erwirtschaftet – bei garantierten Laufzeiten von 25, teilweise sogar schon 30 Jahren. Man braucht nicht viel, um Computer, Kaffeemaschine, Kühlschrank mit Eigenstrom zu betreiben: PV-Modul und Wechselrichter mit Anschlusskabel, Steckdose und die Halterung.

Durchschnittlich liege in Baden-Württemberg der Stromverbrauch bei rund 1.500 Kilowattstunden, wobei Balkonkraftwerke den Tagesverbrauch eines Singlehaushalts „recht ordentlich decken“ dürften, was das öffentliche Stromnetz deutlich entlaste.

Ihren idealen Wirkungsgrad erreichen die Anlagen bei einem Neigungswinkel von 28 Grad und einer genauen Südausrichtung, doch auch Neigungswinkel zwischen 50 und 18 Grad seien kein Problem – und zudem könne man den optimalen Winkel der bewegbaren Anlagen ja auch einfach austesten. Und: mit zwei 400-Watt-Modulen sei ohne weiteres auch eine Ausrichtung auf die optimale Sonneneinstrahlung am Vor- und Nachmittag möglich. Mietern oder kompletten Wohnquartieren rät Hambrecht zu Sammelbestellungen: das spare Kosten und ermögliche zudem ein einheitlicheres Fassadenbild.

Gern beantworteten die beiden Vortragenden Detailfragen zu Installation, Hagel- und Sturmsicherheit, generellen Befestigungsmöglichkeiten und erforderlichen Genehmigungen sowohl im Plenum als auch nach Ende der Veranstaltung in etlichen Einzelgesprächen.

Zum Nachlesen gibt es die Präsentation zum Download im PDF-Format. Unter anderem sind hier eine Auswahl von Anbietern sowie das Nomogramm mit Angaben zur optimalen Ausrichtung zu finden.

Interessierte sollten sich bereits einen weiteren Vortrag zum Thema Energiewende vormerken: Am Freitag, dem 17. Juli referiert auf Einladung des Klimastammtischs Weikersheim Sebastian Fiedler vom Förderkreis Umweltschutz Unterfranken über Wärmepumpen als Alternative zu mit fossilen Energien betriebenen Heizungen. Der Vortrag im Sitzungssaal des Weikersheimer Rathauses beginnt um 19 Uhr.

ibra